Eine Frage der Perspektive - Mein erstes Foto Portfolio Review
- Elisabeth Blum

- 25. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Okt.
"Ich erklärt dir mal das Problem mit deinem Bild." - meine genervte Künstlerseele
Nein. Danke. Nein. Als jemand, der ohnehin schon an einer ausgewachsenen Portion Imposter-Syndrom leidet brauch ich diese narzisstischen, selbsterkorenen Kunstkritiker (und Kunstkritikerinnen!) genauso wenig wie die Titanic den Eisberg oder gemütliches Frühstück neben der Großbaustelle. Erfahrungsgemäß kommen solche Feedbacks auch stets unspezifisch, ohne explizite Einladung meinerseits, und von Personen, deren Kompetenzen ich bewusst in Frage stelle.
"Du verstehst das halt nicht." - die genervte Künstlerseele der anderen
Und zugleich hab ich oft diese Künstler:innen verachtet, die selbstverliebt Werke schaffen, die einfach nur offensichtlich schlecht und seelenlos sind, und wenn dann der Applaus ausbleibt erklären sie das Publikum oder die Betrachter für dumm, weil sie ihre Kunst und ihr Genie eben „nicht verstehen“. Auch diese Menschen gibt es, und für ihre herablassende Attitude habe ich absolut kein Verständnis. Sie sind der Grund, warum Künstlern und Künstlerinnen oft dieses Image der Überheblichkeit angehaftet. Und zu Recht. Kaum tragen sie ihren Seidenschal und die überdominante Brille zur Schau, kaum schmeißen sie Farbe auf Leinwände in raumsprengenden Formaten, fühlen sie sich gleich so „unverstanden“. Und das, obwohl Kunst doch verbinden sollte, vielleicht sogar das Tor zu neuen Erkenntnissen und Perspektiven auf die Welt sein kann. Doch gehöre ich vielleicht selbst zu dieser Art von Künstlerin?

It's Showtime: Mein erstes Foto Portfolio Review
Diese Woche war ich zum ersten Mal bei einem Portfolio Review außerhalb meiner Ausbildung damals. Ein alteingesessener Profi-Fotograf aus Hamburg hat mir in 20 Minuten erklärt, was ich alles falsch mache.
Nein, stopp. Eigentlich hat’s damit begonnen, dass er erst Verspätung hatte. Damit kann ich umgehen, ich hab mir inzwischen die wirklich tolle Fotoausstellung in Nebenraum angesehen. Dann hat er mich hastig begrüßt und mir in seinem Buch gezeigt, was er schon für tolle Fotos gemacht hat (das ist mir übrigens schon öfters passiert, dass Open Studio Gäste mein Atelier in der Semmelweisklinik betraten, und mir dann IHRE Kunst am Handy, oder in einer mitgebrachten Mappe zeigten, ohne irgend ein Interesse für die Kunst um sie herum zu haben). Und ja, seine Fotos sind gut. Ehre, dem Ehre gebührt. Ich hab kein Problem damit die Leistung anderer anzuerkennen.
Dann hab ich zu seinem Leidwesen und Desinteresse leider doch auch meine eigene Fotomappe herausgezogen. Schnell hat sie überflogen, wollte die Mappe fast nicht berühren („sieht aus wie das Fotoalbum auf Omas Nachtkästchen“). Die Fotos, die eine Gesamtschau div. Semmelweis-Events und dem bunten Leben darin zeigen, konnte er nicht in Bezug setzen, gab mir Verbesserungstipps wie aus welcher Perspektive ich das hätte fotografieren sollen. Zu Klärung: Das hab ich zT auch gemacht (das Portfolio zeigt ja immer nur einen Ausschnitt) und befunden, dass eben jene von ihm vorgeschlagene Perspektive langweilig ist, oder dass ich mich an physikalische Gesetze halten muss. Wenn da eine Mauer ist, oder oder Platz mit Personen verstellt ist, kann ich nicht von dort aus fotografieren. Physikalische Grenzen eben, Geist müsste man sein. Und im Gegensatz zu seiner Empfehlung würd ich auch nie eine Performance unterbrechen mit „Hey Barbara, schau doch mal in die Kamera.“ Kein Foto Portfolio Review der Welt ist so eine selbstgerechte Störung wert!
Kritik oder Herablassung?
Ich geb’s zu, sein Mangel an Respekt, oder vielleicht tatsächlich nur der Mangel an Verständnis gegenüber dem Schaffen einer jungen Kollegin, hat mich überrascht, wenn nicht sogar erschreckt oder auch etwas verunsichert. Wir erinnern uns an obrige Zeilen => Imposter-Syndrom! Wer’s nicht kennt, bitte googeln, mir hat diese Erkenntnis in meinem Selbstverständnis sehr geholfen.
Doch zurück zu diesem Portfolio Review. Mit der nächsten Kollegin bereits in Warteposition, verabschiedet sich der Reviewer mit den Worten „Ich hoffe, du nimmst mir meine Kritik nicht übel, aber nur so kannst du lernen. Und ich wünsch dir mehr Selbstbewusstsein, das brauchst du als angehende Fotografin.“ Hm, ich bin noch am Überlegen, was ich mit meinen zig Jahren an Berufserfahrung davon halten soll. Zu viele Eindrücke in diesen außergewöhnlichen, und gehetzten 20 Minuten.
Keine Erfahrung ist jemals umsonst
Ein paar Learnings nehm ich mir aber schon mit. Eines ist tatsächlich mehr Zeit und auch mehr Geld in die Präsentationsmappe zu stecken. Was für mich den Charme des Unperfekten, des Improvisierten und Ehrlichen hat, empfinden andere vielleicht als laienhaft. Unterschiedliche Auffassungen sind legitim - Fisch und Köder eben.
Ein anderes Learning ist: Sei tatsächlich selbstbewusster. Umgib dich mit Menschen, die dir gut tun. Und umgib dich manchmal auch mit Menschen die dir eben nicht gut tun, dich aber zwingen dich mit dir selbst, und mit deine kreativen Werke auseinander zu setzen, und sei’s nur um dich selbst und deine Entscheidungen auf’s Neue zu bestätigen. Denn es gibt immer gute Gründe für die eine oder andere Perspektive, nicht nur aus fotografischer Sicht.






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